Dienstag, 25. September 2007

"Im Westen viel Neues"

Zugegeben, ich lasse nicht oft von mir hören und wenn ich dann mal was erzähle, erscheint es beinahe wie ein Roman. Vielleicht gelingt es mir ja heute, mich etwas kürzer zu fassen. Danke für eure Aufmerksamkeit!

Nachdem ich in der letzten Woche den faszinierenden Native American writer Thomas King erleben durfte, frage ich mich, ob ich überhaupt schreiben sollte (ich zweifle gerade an meiner Kompetenz). Der Titel seiner Rede: "The Amazing Race: Social Responsibility, House Construction and a Bottle of Water", den ich bis zum heutigen Tag nicht vergessen habe, scheint schlicht und einfach verwirrend. Die Rede war jedoch alles andere als verwirrend, vielmehr inspirierend, rhetorisch genial, logisch struktuiert, etc. Ich könnte Stunden lang schwärmen. Trotz der Ernsthaftigkeit des Themas, es ging grob gesagt um das mangelnde Umweltbewusstsein in unserer Gesellschaft, war es eine Rede voller Humor. Eben dieses Element findet man häufig in Native American Literature. Humor dient der Heilung. Wer Lust hat, eine andere Welt kennen zu lernen, sollte sich diese Literatur nicht entgehen lassen, es lohnt sich! Thomas King zählt übrigens zu den bedeutendsten Native American Schriftstellern in der kanadischen Literatur.

Bisher habe ich mich mit meinen Äußerungen zum Unileben etwas zurück gehalten. Das lag in erster Linie daran, dass es noch viel zu organisieren gab. Doch so langsam kehrt die Routine in mein Leben zurück, welch ein Glück. Es gibt viel zu tun, nicht nur für meine drei Kurse, von denen ich euch bereits erzählt habe, sondern auch für meine Arbeit im "Canadian Centre for German and European Studies" (CCGES). Neben administrativen Aufgaben werde ich ein wenig Forschung im Bereich Geschichte und internationale Beziehungen betreiben. Im nächsten Jahr veranstaltet das CCGES eine internationale Konferenz zur Fragestellung, wie sich diplomatische Vertretungen in post-diktatorischen Systemen zum einen hinsichtlich ihrer Personalbesetzung und zum anderen hinsichtlich der Aufarbeitung vergangener Ereignisse verhalten haben. Unser Schwerpunkt liegt dabei auf dem Nachkriegsdeutschland und dem Auswärtigen Amt. Um aber komperativ arbeiten zu können, interessieren uns auch Russland, Spanien und Südamerika. Im Laufe der Zeit werde ich euch sicher mehr erzählen können. Ich bin jedenfalls gespannt.

Meine Arbeit im Labor hat ebenfalls begonnen. Hier habe ich zunächst die Aufgabe, Tests mit Studentinnen und Studenten durchzuführen. Wir wollen untersuchen, inwiefern sich die kongnitiven Fähigkeiten zwischen den bilingualen und monolingualen Subjekten unterscheiden, da für diese Altersgruppe bisher eher unbedfriedigende Daten vorliegen. Ab Ende nächster Woche werde ich beginnen, neue Daten zu sammeln. Zuvor muss ich mich allerdings in das Testverfahren einarbeiten.

Wie ihr seht, über Langeweile kann ich mich ganz bestimmt nicht beklagen. Übrigens gehe ich noch immer zwei mal pro Woche zum Tango tanzen und zwischendurch dürfen meine Laufeinheiten nicht fehlen - "to keep the balance :-)".

Nun ist doch ein kleiner Roman drauß geworden. Dafür werd ich mir mit dem nächsten Blog Zeit lassen, versprochen!
Cheers aus dem noch immer sommerlichen Toronto!

Montag, 10. September 2007

Kuriose Begegnungen und sonstige Erlebnisse

Ein Eichhörnchen mit einem Starbucksbecher zwischen den Pfoten, ein Waschbär mitten im Großstadtdschungel, ein multikulturell besetztes Auto (vier Insassen, vier verschiedene Ethnien), scheinbar endlose Limousinen und anderen Kuriositäten bin ich in den letzten Tagen begegnet. Toronto, eine Stadt in der es beinahe alles zu geben scheint. Ein Erlebnis ganz besonderer Art ist mir gerade gestern widerfahren. Eigentlich weniger mir als vielmehr Olga, meiner langjährigen Freundin und seit kurzem auch Mitbewohnerin. Olga stammt ursprünglich aus der Nähe von Moskau. Mit 12 zog sie mit ihren Eltern nach Schweden, bis sie mit 17 nach Kanada kam. Wir haben uns damals während meines „High School years“ kennen gelernt. Vor einer Woche hat mich Olga überredet, sie zu einer Tangostunde zu begleiten und schwups, ich habe mich sofort verliebt. Oh nein, leider nicht in einen „charming Canadian“, sondern in diesen wunderschönen sinnlichen Tanz, dem argentinischen Tango. Ich musste den weiten Weg bis nach Toronto kommen, um zu erfahren, dass es in Berlin die größte Tangogemeinschaft außerhalb von Buenos Aires gibt! Doch darum soll es gar nicht gehen. Gestern Abend war es mal wieder so weit, meine zweite Tangostunde, wie üblich zu erst der Anfängerkurs, im Anschluss Tango für Fortgeschrittene und danach Zeit zum Üben. Auch diesmal stießen im Verlauf des Abends Tänzerinnen und Tänzer hinzu, teils vertraute Gesichter, teils neue. Unter letzteren befand sich ein gar nicht schlecht aussehender junger Mann. Das Gesicht kam Olga bekannt vor, aber vielleicht hatte sie sich auch einfach nur getäuscht, dachte sie zumindest. Tatsächlich aber kannte sie ihn. Beide gingen für ein Jahr in die selbe Klasse an der internationalen Schule in Göteborg. Es kommt noch besser, Ciril ist ebenfalls aus Russland und war damals mit seinen Eltern für einige Zeit nach Schweden gekommen. All die Jahre haben sich die beiden weder gesehen noch miteinander kommuniziert und plötzlich begegnen sie sich in einer brasilianischen Bar im „Little Italy“ von Toronto um argentinischen Tango zu tanzen, wenn das nicht Schicksal ist!? Ciril arbeitet gerade an seinem Ph.D. in Chemie, allerdings nicht in Toronto sondern in Rochester in New York State, etwa 4 Autostunden entfernt von hier. In zwei Wochen wird er wieder kommen und ich bin gespannt wie es wohl weiter geht mit den beiden! Übrigens durfte ich dieses Paar gestern life erleben: Karina Guillen und Luciano Brigante, zwei Stars der argentinischen Tangowelt (http://www.youtube.com/watch?v=VCf_7wsbs9k).

Am Samstag habe ich die Gunst der Stunde genutzt und mir frühs um 9 Uhr „Control“ angeschaut (http://www.controlthemovie.com/img/control_photo.gif), einer der vielen Filme, die in diesen Tagen auf dem Toronto Film Festival präsentiert werden. „Control“ hat bereits einige Auszeichnungen erhalten, etwa als bester europäischer Film auf dem Filmfestival in Cannes. Er porträtiert den Sänger der Post-Punkt Band Joy Division, der sich 1980 das Leben genommen hat. Zugegeben, die Musik fällt nicht unter die Rubrik „gefällt mir“, aber der Film ist trotzdem sehenswert: beeindruckende Schwarz-Weiß-Aufnahmen und so viel Menschlichkeit. Das also mein Filmtipp der Woche J. Während ich in der Schlange stand, habe ich Bekanntschaft mit Mark geschlossen (in Kanada ein ähnlich populärer Name wie John oder David in England), der mir später noch eine kleine Tour durch Queens Str. (hier geht die Jugend zum Shopping) und Kensington Market gegeben hat, sowie einen Geheimtipp für günstiges Sushi. Nach so langer Zeit hab ich diese Delikatesse ganz besonders genossen. Noch am selben Abend war ich zu einem Barbecue eingeladen, organisiert von Mark Webber, dem ehemaligen Leiter des Canadian Centre for German and European Studies, wo ich in den kommenden acht Monaten meine Brötchen verdienen werde. Auf diese Weise durfte ich mir schon einen Eindruck von meinen zukünftigen Kollegen verschaffen, die überwiegend aus Deutschland stammen. Die deutsche Sprache dürfte somit nicht in Vergessenheit geraten! Zu späterer Stunde war ich mit Olga verabredet, in der Hoffnung, einen Blick auf den ein oder anderen Star werfen zu dürfen. Alles was wir jedoch gesehen haben, waren Stretchlimousinen, den ein oder anderen blank geputzten Porsche und die Ferraris ließen auch nicht lange auf sich warten. Mein Fazit: „Mehr Schein als Sein“.

Und was gibt’s in Sachen Uni neues? Nun ja, so einiges! Ich darf endlich Forschung betreiben, in einem riesig angelegten Projekt zum Thema Zweisprachigkeit. Leiterin ist eine international bekannte Wissenschaftlerin, Ellen Bialystok und ich kanns kaum erwarten. Hinzu kommt die Arbeit im Centre sowie drei Kurse an der Uni: „International Relation Theories“, „Post-colonial Writing in Canada“ und „Psycholinguistics“. Möglicherweise auch noch einen Französischkurs, aber ob das die Zeit erlaubt steht zur Zeit noch in den Sternen. Ihr könnt euch kaum vorstellen, was man hier an Geld für Kursmaterialien ausgeben muss. Dementsprechend intensiv werden sich wohl auch die Seminare gestalten. Es sieht so aus, als werde ich bald sehr viel Zeit auf dem Campus verbringen, endlich wieder Arbeit!
Bevor es mal wieder "Goodbye" heißt, möchte ich euch ganz herzlich für all die Kommentare und Emails danken! Ich freu mich über jede Nachricht.
Bis zum nächsten Mal.