Zwei Wochen später sitze ich an einem Küchentisch in einem Häuschen am Rande Torontos. Während sich zwei Katzen durchs Haus jagen, diskutieren wir mit einer Argentinierin über Deutsche Identität, den Nationalsozialismus, die Deutsche Wiedervereinigung und die vielleicht alles entscheidende Wende: die Fußball WM 2006. Zwei Stunden später finde ich mich in meinem Zimmer unterm Dach wieder, im Hintergrund das Rauschen des kleinen elektrischen Ofens, während ich die das Interview mit einem NPD-Politiker transkribiere und später die Werbekampagne "Du bist Deutschland" übersetze. Das Endprodukt: eine Dokumentation über Deutsche Identität und ich darf die Übersetzungsarbeit leisten. Eine spannende Aufgabe, bei der ich schon wieder den so oft gestellten Fragen begegne.
Sonntag, 28. Oktober 2007
Wer bist du, woher kommst du ... Wer bin ich eigentlich?
Freitag, der 12. Oktober 2007, 19 Uhr: Gerade bin ich im Women's Bookstore angekommen. Während ich auf Raquel, meine Mitbewohnerin, warte, schnappe ich mir einige Happen zu Essen, die man liebevoll für die Gäste der anstehenden Buchpräsentation bereit gestellt hat. Ich komme ins Gespräch mit Josh. Er ist ebenfalls Student in York und macht gerade seinen Master zum Thema Umweltpolitik und Basisdemokratie. Um dies zu erfahren, stelle ich die typischen Fragen: Wer bist du? Woher kommst du? Was machst du? Ebenso stellt er mir diese Fragen. Im Anschluss an das Event im Buchladen, übrigens lautet der Titel des Buches "Socialism and Democracy in Latin America", dargestellt am Beispiel Venezuelas, gehen Raquel und ich auf Erkundungstour. Wir können uns kaum mit der Meinung des Autors, der eine neue Form des Sozialismus für Lateinamerika versucht zu propagieren, anfreunden. Um uns wieder zu beruhigen, machen wir uns auf den Weg Richtung Little Italy. Wir erreichen College Street und stehen schließlich vor der Bar Il Gato Nero. Raquel hat hier früher viel Zeit verbracht und so kennt sie den ein oder anderen. Natürlich treffen wir auch heute Bekannte und erneut stellt man mir die typischen Fragen: Wer bist du? Woher kommst du? Aus Deutschland! Reaktion: Aus Deutschland? Oh, mein Freund hier kommt auch aus Deutschland! ... ich denke mir, ein Deutscher im Ausland, eigentlich hab ich gerade keine Lust darauf, Deutsch zu sprechen, also winke ich diesem Freund eben nur kurz zu, aber doch vielmehr ab. Später stellt sich heraus, das dieser Freund nicht nur Deutscher, sondern ebenso Kanadier ist, der sowohl Schwäbisch als auch Cockney imitieren kann. Was für interessante Menschen man doch trifft und wie hilfreich diese simplen Fragen, die man eigentlich satt hat, weil man sie schon tausend mal gestellt und gestellt bekommen hat, doch sind!
Am Ende stelle ich mir die Frage, wer ich eigentlich bin: Deutsche, Europäerin, Thüringerin, Austauschstudentin, Hobby-Fußballerin, eine Geisha passend zu Halloween, die Tochter zweier wunderbarer Eltern, Teil eines einzigartigen Freundeskreises in heimatlichen Gefilden, Studentin an einer zukünftigen Eliteuni (man darf ja auch mal angeben ;-), die Mitbewohnerin von Olga und Raquel, ... . Das alles bin ich und ich bin glücklich, das alles sein zu dürfen. Und wenn ich genau hin schaue, dann bin ich das doch nur, dank all der liebenswerten Menschen in meinem Leben, dank all denen, die immer für mich da sind und dank denen, die kommen und gehen und dank denen, die gekommen und wieder gegangen sind. DANKE!
Olga, Raquel und ich
CCGES vs. City Centre 4:3
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2 Kommentare:
Ich kann mir die Frage nicht verkneifen, auch wenn ich weiß, dass ich keine Antwort darauf bekomme. Aber: vem är det du är glad över att han/hon har lämnat ditt liv IGEN????
/dc
"Wir können heute über den Ozean fliegen, hören und sehen. Aber der Weg zu uns selbst und zu unseren Nächsten ist sternenweit." (Max Reinhardt)
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